Premiere für Pinocchio

Eine gelungene Premiere hat Pinocchio, das neue Weihnachts-Theaterstück der Tufa, gefeiert. Regisseur Florian Burg und die beiden Darsteller Elke Reiter und Sebastian Gasper brachten den Klassiker mit aktuellen Bezügen und witzigen Figuren so frisch auf die Bühne, dass Kinder und Erwachsene gleichermaßen auf ihre Kosten kamen. 

"Kinder sind wie unbehauenes Holz. Man muss sie formen, sonst sind sie später zu nichts zu gebrauchen". Als das die Bühnenfigur, der Tischler Gepetto, ins Publikum ruft, lachen die Erwachsenen. Die Kinder lachen, als daraufhin eine freche Stimme aus einem "Holzklotz" Formung fordert und Gepetto nach etwas Klopferei plötzlich Pinocchio vor sich stehen hat. 

Dass jede Szene kleine wie große Zuschauer anspricht, ist ein kennzeichnendes Merkmal für das von Florian Burg inszenierte Tufa-Weihnachtstheaterstück "Pinocchio". Für die jungen Zuschauer bietet es mit dem von Elke Reiter frech, trotzig, neugierig, naiv und im Kern sehr aufrichtig verkörperten Titelhelden eine liebenswerte Identifikationsfigur. Der besondere Clou ist dabei, dass dessen Nase während des Stücks tatsächlich immer mehr wächst. Das Bühnenbild aus rollbaren Schrankelementen regt die Fantasie an. Gleiches gilt für die geheimnisvolle Beleuchtung oder die märchenhaften Szenen im Wald oder im Haifischbauch. 

Dazu gibt es Situationen, in denen das Publikum mit Pinocchio mitfiebert. Verfolgungsjagden, Slapstick-Komik und die Möglichkeit zum aktiven Mitmachen, gehören zum Stück dazu. Größeren Kindern und Erwachsenen erschließt sich in Pinocchios Abenteuern die tiefere Dimension einer Parabel ums Finden des eigenen Weges in die Welt. Das vollbringen teils mit Lebensweisheiten gespickte Dialoge, vor allem aber die Zeichnungen der Figuren, denen Pinocchio begegnet. Sie alle werden von Sebastian Gasper gespielt. Er schlüpft dafür mit nur wenigen Requisiten in dennoch markant gestaltete Kostüme. 

Markant sind auch seine Charaktere. Herrlich androgyn und verführerisch mimt er die verschlagene Fuchskatze, die Pinocchio das schnelle Geld an der "Wunderbörse" verspricht. Mit Berliner Dialekt und schnoddriger Großspurigkeit gibt er den Landbesitzer aus Familientradition. Witzig-cool kommt er als Rapper daher, der Pinocchio den "Fun" des Spielzeuglandes offenbart. So witzig diese Figuren vordergründig sind, sie sind ein Spiegel der Welt, wie sie sich heute zeigt. Da präsentiert sich die Parade der skrupellosen Banker, der Privilegierten, der Verfechter der Spaß- und Konsumgesellschaft oder der Esel, die im Showgeschäft vorgeführt werden. Zuweilen bleibt das Lachen im Halse stecken, wenn der vom Hai verschluckte Thunfisch bereit ist, mit dem Schwarm, in dem er gelebt hat, unterzugehen, auch wenn er weiß, dass dadurch seine durch Überfischung bedrohte Art ausstirbt. 

Eine Großmutter sagt: "Ich finde die aktuellen Bezüge toll, denn das ist ja die Welt, in die unsere Kinder hineinwachsen." Die Kinder im Publikum verstehen sicher nicht alles, wenn zum Beispiel auch Begriffe wie "Globalisierung" fallen. Sie sind aber durchweg äußerst aufmerksam und gebannt. Und für ältere, die schon die Schule besuchen, gibt dieser frische Pinocchio ganz ohne moralische Keule am Ende eine ganz klare Botschaft mit: Es ist zwar schwer, sich im Leben zu verorten, aber Liebe, Verantwortungsgefühl und Aufrichtigkeit weisen den richtigen Weg. 

Anke Emmerling, Trierer Volksfreund, 27. November 2011

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